Netflix gilt heute als einer der größten Streaming-Dienste der Welt und hat die Medienbranche revolutioniert. Doch wem gehört dieses Unternehmen eigentlich? Anders als klassische Familienunternehmen oder Tochterfirmen von Medienkonzernen ist Netflix ein börsennotierter Konzern – es gibt keinen einzelnen Eigentümer, sondern unzählige Aktionäre. Es wird deutlich, dass Netflix vom Startup zweier Gründer zu einem globalen Unternehmen mit breit gestreuter Aktienstruktur gewachsen ist.
Netflix wurde am 29. August 1997 im kalifornischen Scotts Valley von Reed Hastings und Marc Randolph gegründet. Hastings hatte zuvor sein Software-Unternehmen Pure Atria für 700 Millionen US-Dollar verkauft – seinerzeit der größte Deal im Silicon Valley. Während sie auf die Genehmigung dieses Verkaufs warteten, entwickelten Hastings und Randolph die Idee für Netflix. Zunächst sollte Netflix als Online-Videothek agieren: Kunden konnten Filme auf den damals neuen DVDs per Post ausleihen. Mit rund 30 Mitarbeitern und etwa 925 verfügbaren Filmtiteln startete Netflix sein Geschäftsmodell des DVD-Verleihs ohne Verspätungsgebühren. Als Startkapital investierten die Gründer etwa 2,5 Millionen US-Dollar eigenen Geldes in das Unternehmen – ein vergleichsweise bescheidener Betrag, der jedoch die Grundlage für ein Milliardenunternehmen legte.
Die frühe Phase war von Experimentierfreude geprägt. So führte Netflix 1999 ein monatliches Flatrate-Modell ein, um den traditionellen Einzelverleih abzulösen. Trotz innovativer Ansätze schrieb Netflix aber zunächst rote Zahlen. Interessant ist, dass bereits 1998 der E-Commerce-Riese Amazon Interesse an Netflix zeigte und einen Übernahmeversuch unternahm, der jedoch scheiterte. Ebenso versuchte Netflix im Jahr 2000, sich mangels Profitabilität dem damaligen Marktführer Blockbuster zum Kauf anzubieten – für lediglich 50 Millionen US-Dollar. Blockbuster lehnte das Angebot als zu teuer ab. Ironischerweise sollte sich später zeigen, dass Netflix mit seinem neuen Geschäftsmodell die Videotheken-Branche – und damit auch Blockbuster – disruptiv verändern würde.
Trotz anfänglicher Verluste konnte Netflix sein Abonnentenwachstum stetig steigern. Marc Randolph, der zunächst als erster CEO fungierte, übergab 1999 die Leitung an Mitgründer Reed Hastings. Hastings setzte den Kurs konsequent fort und bereitete das Unternehmen auf den Kapitalmarkt vor. Im Mai 2002 ging Netflix an die Börse (NASDAQ) und vollzog sein Initial Public Offering (IPO). Die Emission umfasste zunächst 5,5 Millionen Aktien zum Preis von 15 US-Dollar pro Stück. Zusätzlich wurden im Rahmen eines sogenannten Greenshoe-Optionsprogramms weitere 825.000 Aktien zu gleichen Konditionen platziert. Insgesamt flossen Netflix brutto etwa 95 Millionen US-Dollar zu; nach Abzug der Emissionskosten verblieben netto über 90 Millionen US-Dollar als frisches Kapital im Unternehmen. Dieser Börsengang markierte den Übergang von einem Startup, das von seinen Gründern und Wagniskapital finanziert wurde, zu einer öffentlich gehandelten Aktiengesellschaft. Mit dem IPO verteilten sich die Eigentumsanteile nun auf zahlreiche Aktionäre – die Gründer hielten zwar weiterhin Anteile, teilten sich die Eigentümerschaft aber fortan mit institutionellen und privaten Investoren.
Unmittelbar nach dem Börsengang notierte die Netflix-Aktie leicht über dem Ausgabepreis; am ersten Handelstag schloss sie bei 16,75 US-Dollar. In den folgenden Jahren entwickelte sich der Aktienkurs jedoch spektakulär. Wer beim IPO 2002 Netflix-Aktien für 1.000 Dollar erworben hätte, besäße heute über 1 Million Dollar – eine Wertsteigerung von mehr als 100.000 %. Diese enorme Performance zeigt, welches Wachstum Netflix in den zwei Jahrzehnten nach dem Börsendebüt hingelegt hat. Für die Gründer und frühen Investoren zahlte sich das Engagement damit reichlich aus. Marc Randolph verließ Netflix 2003, kurz nachdem das Unternehmen erstmals schwarze Zahlen schrieb. Er hatte sein Ziel erreicht, Netflix in die Profitabilität zu führen, und schied aus – womit Reed Hastings als verbleibender Gründer die Unternehmensführung fortan allein innehatte.
Nach dem Börsengang stand Netflix vor der Herausforderung, sein Geschäftsmodell kontinuierlich anzupassen. 2007 traf Reed Hastings eine wegweisende Entscheidung: Netflix stieg ins Video-on-Demand-Streaming ein und begann, Filme und Serien direkt über das Internet anzubieten. Diese strategische Neuausrichtung – weg vom reinen DVD-Versand hin zum Streaming – markiert die Geburt des modernen Netflix. Anfangs waren Anleger skeptisch: Die Ankündigung des Streaming-Angebots ließ den Aktienkurs zunächst einbrechen. Doch die Befürchtungen währten nicht lange – schon bald erkannte der Markt das Potenzial dieses Schritts, und die Aktie erholte sich schnell und stieg anschließend auf neue Höhen. Im Nachhinein erwies sich der mutige Schritt als goldrichtig: Netflix wurde zum Pionier des Binge-Watching und löste mit seinem Erfolgsmodell einen tiefgreifenden Wandel in der Unterhaltungsindustrie aus.
Unter Hastings’ Führung expandierte Netflix ab 2010 auch international. Zunächst startete der Dienst in Kanada, dann folgten ab 2012 zahlreiche Länder in Europa, Lateinamerika und Asien. 2014 ging Netflix in Deutschland und der DACH-Region an den Start. Die weltweite Expansion katapultierte die Abonnentenzahlen in die Höhe: Bis Ende 2020 überschritt Netflix die Marke von 200 Millionen zahlenden Nutzern. Eigenproduktionen wie House of Cards (2013), Orange Is the New Black oder Stranger Things trugen wesentlich zum Nutzerwachstum bei. Zeitweise wurde Netflix an der Börse sogar höher bewertet als der traditionelle Unterhaltungskonzern Disney – ein bemerkenswerter Meilenstein, bedenkt man, dass Disney zuvor jahrzehntelang als Branchenprimus galt.
Aus Eigentümersicht brachte diese Erfolgsgeschichte vor allem eines mit sich: eine stark gestreute Aktionärsbasis. Da Netflix in großem Stil an der Börse gehandelt wird und regelmäßig Kapital über Aktien und Anleihen aufgenommen hat, ist kein einzelner Investor jemals in eine dominierende Besitzerrolle gelangt. Stattdessen wuchs der Anteil des Streubesitzes immer weiter an.
Heute ist Netflix ein Musterbeispiel für ein Unternehmen in Streubesitz. Der Free Float der Netflix-Aktie beträgt rund 99,34 %. Das bedeutet, dass praktisch alle Aktien frei am Markt verfügbar sind und sich kein Großaktionär eine Mehrheitskontrolle sichern konnte. Zum Vergleich: Bei vielen Gründer-geführten Tech-Konzernen (wie z.B. Facebook oder Google) halten die Gründer durch Stimmrechtsaktien oder große Pakete oft die Kontrolle. Nicht so bei Netflix – hier verteilt sich die Eigentümerschaft auf tausende Aktionäre weltweit, ohne besondere Stimmrechtsunterschiede pro Aktie.
Wer sind nun die größten Anteilseigner von Netflix? Es handelt sich vor allem um institutionelle Investoren – also Vermögensverwalter und Fonds, die Gelder vieler Anleger bündeln. Die Top-5 Aktionäre (Stand ca. 2024) sind:
Diese Anteile der institutionellen Investoren mögen hoch erscheinen, doch zu beachten ist: Keiner dieser Investoren handelt auf eigene Rechnung – sie investieren Gelder ihrer Kunden. In der Summe halten die Top-10-Anteilseigner etwa ein Drittel der Netflix-Aktien, was heißt, dass die restlichen ~65–70 % auf viele weitere Investoren verteilt sind. Kein einzelner Aktionär besitzt zweistellige Prozentanteile am Unternehmen, geschweige denn eine kontrollierende Mehrheit. Selbst die größten Anteilseigner wie Vanguard üben ihren Einfluss meist nur im Rahmen ihrer Stimmrechte auf Hauptversammlungen aus, ohne ins Tagesgeschäft einzugreifen. Die breite Streuung der Aktien sorgt dafür, dass Netflix faktisch niemandes Privatbesitz ist – es gehört seinen Aktionären kollektiv.
Obwohl Netflix heute keinem Gründer oder Insider mehr mehrheitlich gehört, spielen die Gründer in der Unternehmensgeschichte natürlich eine wichtige Rolle. Reed Hastings war bis Anfang 2023 über 25 Jahre lang der CEO von Netflix. Unter seiner Führung wurde aus dem DVD-Versender der Streaming-Marktführer. Im Januar 2023 trat Hastings einen Schritt zurück und übergab die operative Leitung an zwei Nachfolger: Ted Sarandos (langjähriger Content-Chef) und Greg Peters (vormals Produkt- und operativer Chef) übernahmen als Co-CEOs die Geschäftsführung. Hastings selbst blieb dem Unternehmen als Executive Chairman (geschäftsführender Vorstandsvorsitzender) erhalten. Dieser Übergang war sorgfältig vorbereitet und markiert den Generationswechsel im Management, ohne dass Hastings ganz aus Netflix ausschied.
In Sachen Eigentum hält Reed Hastings zwar weiterhin Aktien an Netflix, doch sein Anteil ist – verglichen mit dem Gesamtunternehmen – relativ gering. Anfang 2023 besaß Hastings rund 2 % der Netflix-Aktien und war damit einer der größten Einzelaktionäre. Allerdings hat er in den letzten Jahren kontinuierlich Aktien verkauft oder verschenkt. So spendete Hastings im Januar 2024 etwa 2 Millionen Netflix-Aktien (damals rund 40 % seines Aktienbesitzes) im Wert von 1,1 Milliarden US-Dollar an seine eigene wohltätige Stiftung. Durch solche Transaktionen reduzierte sich sein persönlicher Anteil weiter. Heute hält Reed Hastings deutlich unter 1 % der Aktien, bleibt aber dennoch als Gründerfigur und langfristiger Investor symbolisch wichtig. Sein verbleibendes Aktienpaket und vor allem sein Know-how sicherten ihm den Platz an der Unternehmensspitze als Chairman für strategische Fragen. Zum Vergleich: Marc Randolph, der zweite Mitgründer, verließ das Unternehmen 2003 und ist seither weder operativ noch als bedeutender Anteilseigner in Erscheinung getreten.
Neben Hastings gibt es weitere Insider mit kleineren Aktienpositionen. Zum Beispiel halten langjährige Führungskräfte wie Ted Sarandos (Co-CEO, Chief Content Officer) oder David Hyman (General Counsel) jeweils nur Bruchteile von Prozent am Unternehmen. Auch frühe Investoren wie Jay Hoag, der bereits 1995 vor dem Start von Netflix investierte und dem Aufsichtsrat angehört, besaßen zeitweise nennenswerte Aktienpakete, diese lagen jedoch ebenfalls deutlich unter 1 %. Insgesamt kann man sagen: Kein aktiver oder ehemaliger Netflix-Manager verfügt heute über einen dominanten Anteil – ein Unterschied zu manch anderem Tech-Unternehmen, wo Gründer durch Spezialaktien die Kontrolle behalten. Netflix hat keine Dual-Class-Aktienstruktur, jede Aktie entspricht genau einer Stimme. Damit unterliegen auch Vorstand und Management der Kontrolle durch das breitere Aktionariat und den unabhängigen Verwaltungsrat.
Wem gehört Netflix? – Die kurze Antwort lautet: den Aktionären. Als börsennotiertes Unternehmen in den USA befindet sich Netflix zu nahezu 100 % im Streubesitz. Die größten Eigentümer sind Fonds und Vermögensverwalter, allen voran Vanguard, BlackRock und Fidelity, mit einzelnen Anteilen im einstelligen Prozentbereich. Gründer Reed Hastings hält nur noch einen sehr kleinen Bruchteil der Aktien und kein Einzelinvestor hat die Kontrolle. Diese breite Eigentumsverteilung ist das Ergebnis einer bewussten Entwicklung: Netflix wuchs mit Hilfe des Kapitalmarkts vom Startup zum globalen Konzern. Durch den Börsengang 2002 und das rasante Wachstum in den folgenden Jahren hat sich die Eigentümerstruktur immer weiter ausdifferenziert. Heute ist Netflix weder im Besitz eines Medienmoguls noch eines anderen Großkonzerns – es ist ein unabhängiges Unternehmen, dessen Wertschöpfung vielen Anlegern zugutekommt. Für die Nutzer ändert dies nichts: Sie bezahlen ihr Abo an Netflix, aber die Erlöse fließen letztlich an die Breite der Anteilseigner, von Pensionsfonds bis Privatanleger.
Netflix’ Werdegang zeigt, wie ein Unternehmen sich vom Gründer-geführten Newcomer zu einem börsennotierten Giganten entwickelt, der keinem Einzelnen gehört. Diese Struktur bringt Vor- und Nachteile mit sich: Einerseits muss sich das Management vor den Anteilseignern für Ergebnisse verantworten, andererseits ermöglichen die liquiden Mittel des Kapitalmarkts das Wachstum (man denke an die Milliardeninvestitionen in Inhalte). Netflix ist damit ein Paradebeispiel moderner Corporate Governance in der Technologie- und Medienbranche – ein Konzern, der allen und niemandem gehört, und dessen Eigentümer letztlich jene sind, die an seine Vision vom Streaming glauben und in seine Aktien investieren.
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