Volvo – das klingt nach schwedischer Ingenieurskunst, dicken Wintermänteln aus Stahl und kompromissloser Sicherheit. Doch auf die Frage „Wem gehört Volvo?“ folgt oft Überraschung: Die Pkw-Sparte Volvo Cars ist heute mehrheitlich in chinesischer Hand. Parallel existiert die Volvo Group (Lkw, Busse, Baumaschinen) als eigenständiger Konzern. Dieser Artikel ordnet die beiden „Volvos“, erklärt, wie es dazu kam, stellt Gründer und aktuelles Management vor, beleuchtet Umsatz und Meilensteine – und vor allem die Eigentümerstruktur, die zeigt, wie international die Autoindustrie geworden ist.
Volvo gibt es seit 1927. Am 14. April rollte in Göteborg auf der Insel Hisingen das erste Serienauto vom Band. Ursprünglich war Volvo eine Tochter des Lagerherstellers SKF. Schon 1926/27 reifte der Plan, unter dem Namen „Volvo“ (lateinisch: „Ich rolle“) eine eigene Autofirma aufzubauen. Die Idee: robuste Fahrzeuge für harte skandinavische Straßen.
Früh bestätigte sich dieser Ansatz. Auf den offenen Tourenwagen ÖV4 folgte das geschlossene PV4 – solide Vierzylinder, klarer Fokus auf Haltbarkeit. Ende der 1920er erweiterten die Schweden ihre Palette um Lastwagen und Busse; die junge Firma wuchs schnell. 1935 verkaufte SKF seine Anteile – Volvo wurde eigenständig. Damit war der Grundstein gelegt für den Aufstieg zur internationalen Marke.
Die Väter des Projekts: Assar Gabrielsson (Betriebswirt, später Managing Director) und Gustaf Larson (Maschinenbauingenieur, Technischer Direktor). Beide verband die Leidenschaft fürs Automobil – und die Überzeugung, dass Sicherheit an erster Stelle steht. Ihr Leitmotiv: „Autos werden von Menschen gefahren – deshalb muss bei Volvo alles auf Sicherheit ausgerichtet sein.“
Die Rollen waren klar verteilt: Gabrielsson trieb Finanzierung, Organisation und Markteintritt voran, Larson verantwortete Konstruktion und Technik. Das Zusammenspiel funktionierte: Bereits nach drei Jahren schrieb Volvo schwarze Zahlen. Der Ruf der Marke – zuverlässig, sicher, langlebig – geht direkt auf das Denken der Gründer zurück. In Göteborg erinnern bis heute Museum und Denkmäler an die Pioniere.
An der Spitze von Volvo Cars steht seit April 2025 wieder ein alter Bekannter: Håkan Samuelsson. Der 74-jährige Branchenprofi hatte das Unternehmen bereits von 2012 bis 2022 geführt. Nach der Amtszeit von Jim Rowan kehrte Samuelsson für eine Übergangsphase zurück, um Volvo durch eine anspruchsvolle Gemengelage zu steuern – von geopolitischen Spannungen bis hin zu Handelsbarrieren.
Samuelsson gilt als Manager mit feinem Gespür für Volvos Kultur und Stärken. Unter seiner früheren Führung startete die moderne Modellfamilie (u. a. neue XC90 und XC60) und Volvo erzielte Rekordabsätze. Zuvor leitete er den Nutzfahrzeughersteller MAN. Nun soll er die Transformation Richtung Elektromobilität und Premiumprofil fortsetzen. Im Aufsichtsrat sitzt mit Eric Li (Li Shufu) der Eigentümer des chinesischen Mutterkonzerns – gemeinsam soll Stabilität gesichert werden, bis ein langfristiger CEO übernimmt.
Volvo Cars gehört inzwischen zu den Schwergewichten im gehobenen Segment. 2023 erzielte das Unternehmen 399,3 Mrd. SEK – rund 35,5 Mrd. Euro – und damit einen neuen Rekord. Gegenüber 2022 entspricht das einem Plus von 21 %. Die Auslieferungen stiegen auf 708.700 Fahrzeuge (+15 %). Besonders gefragt: die SUV-Familie (XC40, XC60, XC90) und die Recharge-Modelle.
Trotz Lieferkettenproblemen und volatiler Märkte blieb der Kurs stabil: Der operative Gewinn lag bei 25,6 Mrd. SEK (etwa 2,3 Mrd. Euro). Wachstumstreiber sind die klare Positionierung als Premium-Elektromarke mit Sicherheits-DNA sowie eine breite regionale Aufstellung in Europa, China und Nordamerika. Rund 45.000 Mitarbeitende arbeiten heute für Volvo Cars, der Vertrieb läuft in etwa 100 Ländern. Im Premiumfeld behauptet sich Volvo damit neben BMW, Mercedes-Benz und Audi.
Volvos Weg ist eine Mischung aus Erfindergeist, Pragmatismus und Hartnäckigkeit.
Es gab auch Durststrecken. Als vergleichsweise kleiner Hersteller war Volvo in den 1970ern/80ern Ziel von Fusionsplänen (u. a. mit Saab, Renault). Der große Einschnitt kam 1999: Die Volvo Group trennte sich von der Pkw-Sparte, Ford übernahm Volvo Cars. Anfang der 2000er folgten Modelloffensiven, die Finanzkrise 2008 setzte jedoch zu. 2010 kaufte Geely Volvo Cars – und leitete die eigentliche Renaissance ein.
Mit frischem Kapital und viel Freiheit entwickelte Volvo die modulare Plattform SPA, neue effiziente Antriebe und eine moderne Designsprache. 2015 erschien der neue XC90 – ein Weckruf an die Branche – gefolgt von S90, V90 und XC60 II. 2021 kündigte Volvo an, ab 2030 nur noch vollelektrische Fahrzeuge zu verkaufen, und ging an die Börse in Stockholm. Vom Nischenanbieter zum globalen Premiumspieler – ohne den Markenkern Sicherheit zu verlieren.
Die kurze Antwort: Volvo Cars gehört mehrheitlich zur Zhejiang Geely Holding Group aus China. Geely übernahm die Pkw-Sparte 2010 vollständig von Ford. Auch nach dem Börsengang 2021 hält Geely die Zügel fest in der Hand und besitzt rund 78,6 % der Anteile. Der Rest verteilt sich als Streubesitz auf institutionelle und private Investoren. Geely-Gründer Li Shufu (Eric Li) ist zugleich Aufsichtsratschef von Volvo Cars – strategische Entscheidungen laufen somit auf kurzem Weg.
Wichtig: Volvo Cars (Pkw) und die Volvo Group (Lkw, Busse, Baumaschinen, Bootsmaschinen) sind getrennte Unternehmen. Die Trennung datiert auf 1999. Geely ist bei der Volvo Group Minderheitsaktionär (rund 8,2 %), nicht Mehrheitseigner. Die Volvo Group bleibt damit ein eigenständiger, börsennotierter schwedischer Konzern – mit einer breit gestreuten Eigentümerbasis; dominierende Stimmrechte hält traditionell die schwedische Investorengruppe Industrivärden.
Damit beide Unternehmen die Marke konsistent nutzen, verwalten sie die Rechte gemeinsam: In der Volvo Trademark Holding halten Volvo Group und Volvo Cars jeweils 50 %. Ergebnis: ein einheitliches Markenerlebnis, egal ob auf einem S90 oder einem Schwerlaster.
Unterm Strich ist Volvo ein schwedisches Unternehmen mit chinesischem Mehrheitsgesellschafter auf der Pkw-Seite – eine Konstellation, die globales Wachstum möglich gemacht hat, ohne die skandinavische Identität aufzugeben. Fertigung, Entwicklung und Designprägen weiterhin die Handschrift Göteborgs; Geely agiert als starker, aber zurückhaltender Eigentümer.
„Wem gehört Volvo?“ hat heute eine klare, aber vielschichtige Antwort. Volvo Cars ist mehrheitlich im Besitz von Geely, die Volvo Group ist davon unabhängig. Diese internationale Eigentümerschaft hat Volvo nicht verwässert, sondern beflügelt: neue Plattformen, mutiges Design, eine konsequente Elektro-Strategie – und Rekordumsätze. Gleichzeitig bleibt die Marke ihrem Versprechen treu: Sicherheit und Verlässlichkeit.
Für Kundinnen und Kunden macht die Trennung wenig Unterschied. Ob eleganter S90 oder mächtiger Volvo-Truck – beide tragen ein Logo, das seit fast einem Jahrhundert Vertrauen genießt. Volvos Geschichte zeigt, wie Ost und West zusammenwirken können: schwedische Werte, chinesische Kapitalkraft, globale Perspektive. Das Ergebnis ist eine Marke, die bereit ist für die nächste Etappe – vom autonomen Fahren bis zur kompletten Elektrifizierung.
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